Eine fortschrittliche Schule in der Türkei setzt Drama und Kunst ein, um Kindern beim Lernen zu helfen.
Geschichte und Bilder von Serra Akcan/Narphotos
Toros ist eine Puppe mit einem flachen gelben Lächeln und einer lila-/pinkfarbenen Schleife. Mit Hilfe dieser Puppe wird der Sozialkundeunterricht gefördert und die Wahrnehmung einer der unterprivilegiertesten Schulen des Landes geändert.
Die Aksemsettin Grundschule befindet sich in Ankara, Türkei, und unterrichtet arme Kinder und Kinder von nomadischen Familien. Gewaltsame Vorfälle in der Vergangenheit haben zum schlechten Ruf dieser Schule beigetragen.
„Kinder, die auf dem Land leben, haben Schwierigkeiten, sich an das Leben und den Schulunterricht in der Großstadt zu gewöhnen“, erklärt ein Lehrer.
Es stellen sich große Herausforderungen.
Mit der Unterstützung des Kiwanis Clubs Ankara, greift die Aksemsettin Grundschule auf kreative Kunst zurück und ergänzt damit den traditionellen Unterricht. Die Schüler können somit verschiedene Möglichkeiten erkennen, wenn sie von ihren zukünftigen Karrieren träumen.
Die achtjährige Ilgin stellt ein Selbstportrait von Frida Kahlo vor. Dafür steckt sie sich rote Rüschen ins Haar und färbt ihre Augenbrauen dunkel. „Ich glaube, dass Frida sehr viel in ihrem Leben gelitten hat“, sagt Ilgin. „Trotz allem war sie eine einflussreiche Frau. Das gefällt mir an ihr.“ Ilgin möchte Konditorin werden.
Der siebenjährige Berat liebt Pantomime, Fußball und den Englischunterricht. Er hofft, einmal Lehrer zu werden… oder Pilot… oder Detektiv…
Die zehnjährige Ayse, 10 lehrt ihrem jüngeren Bruder einige Dinge, die sie selbst im Dramaunterricht gelernt hat. Sie zeigt ihm, wie man in einem Stummfilm, eine ihrer Lieblingsaktivitäten, auftritt. „Wenn ich erwachsen bin möchte ich Gehirnchirurgin werden“, sagt sie.
Die 2-A-Lehrerin erklärt, warum sie es notwendig fand, etwas zu verändern. Sie hat in der Aksemsettin Grundschule gearbeitet und nach neuen Möglichkeiten gesucht, wie sie die Kinder erreichen und unterrichten konnte. Viele ihrer Schüler zeigten Verhaltensstörungen und eine niedrige Auffassungsgabe.
„Es ist schwierig gewesen, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen und sie im regulären Unterrichtsplan miteinzubeziehen“, sagt sie. „Deshalb versuchte ich es mit anderen Methoden. Angefangen habe ich mit Aktivitäten zur Entwicklung ihrer sozialen Kompetenzen, zum Beispiel: wie man sitzt, steht und mit anderen Menschen umgeht. Ich implementierte ein Leseprogramm, bei dem die Schüler den Text mittels verschiedener Kunstfertigkeiten frei interpretieren konnten.
Zunächst beschränkte sich das Programm nur auf ihr Klassenzimmer. Dann schalteten sich die Kiwanier ein und boten finanzielle Unterstützung sowie bautechnische Kenntnisse an. Vor fünf Jahren wurde das „Dream Studio“ („Traumstudio“) gebaut. In diesem Studio können die Schüler Bücher lesen, darüber diskutieren und die Handlungen und Charaktere mittels verschiedener Kunstformen nachspielen.
Die Lehrkräfte und die Schulverwaltung waren von dem Erfolg des Leseprogramms begeistert. Sie ermutigten die Kiwanier das Programm zu erweitern und ein Dramastudio zu bauen, in dem die Kinder ihre Kreativität entfalten und versteckte Talente entdecken konnten. Darüber hinaus lernten sie, sich besser auszudrücken und ihre Kommunikationsfähigkeiten auszubauen.
Der Bau des Studios dauerte neun Monate. Die Beleuchtung, Tonanlage, Akustikwände, Garderoben für die Kostüme, Regale für Requisiten, Puppen und andere Materialen mussten installiert werden. Laut einem der Kiwanis-Mitglieder waren der Bau und die Einrichtung dieses Studios jedoch nur der erste Schritt zum Erfolg des Programms.
„Es geht hauptsächlich darum, dass die Schüler etwas damit anfangen können“, sagt Unal Peker, der Architekt, der die Entwürfe für beide Studios gemacht hat. „Der zweite Schritt ist: man muss Leute finden, die dieses Programm umsetzen.“
Die gesamte Schule freute sich über die Ankunft eines neuen Dramalehrers. Die Schüler konnten es kaum abwarten, bis sie ins Studio zurückkehren durften. Mittels Improvisation, Geschichtenerzählen und Puppenspielen konnten sie ihre Wahrnehmung und ihr Einfühlungsvermögen verbessern. Sie haben damit begonnen, gemeinsam Probleme zu lösen. Auch die Eltern und Lehrer beteiligten sich.
„In einer Schule wie unserer, kann man nicht erwarten, dass sich die Eltern an den Aktivitäten der Kinder beteiligen oder ihnen helfen. Das ist aber bei uns nicht der Fall“, sagt einer der Lehrer. „Bei uns sind die Eltern involviert und arbeiten gemeinsam mit ihren Kindern an Kunstwerken.“
Eine der Mütter erzählte ihrer Schwiegermutter, dass sie an einer Eltern-/Lehrerversammlung teilnehmen würde, nur um die Gelegenheit zu haben, das Studio zu besuchen. Die Eltern verbringen Zeit miteinander. Sie Malen, Zeichnen und erzählen Geschichten aus einer Zeit, zu der die Schule keinen guten Ruf hatte.
Den meisten Lehrern fällt ein Unterschied bei ihren Schülern auf. Das Studio wird unter Anleitung des Dramalehrers benutzt. Die Lehrer nehmen an einer dreimonatigen Schulung teil.
„Wir sind Lehrer von benachteiligten Kindern“, sagt ein 3-A-Lehrer. „Sie sind zu Hause nicht glücklich. Die Eltern dieser Kinder haben wirtschaftliche Probleme. Wir wollen ihre Lebensperspektive ändern, ihnen zeigen, dass es für sie auch bessere Alternativen gibt.“
Eine andere Lehrerin, die in den vergangenen 18 Jahren in fünf verschiedenen Schulen der Provinz gearbeitet hat, sagt, dass Aksemsettin ein Wendepunkt in ihrer Laufbahn gewesen ist.
Auch die Kiwanis-Mitglieder freuen sich.
„Aksemsettin ist aufgrund seiner Klassenzimmer und dem Arbeitswillen der Lehrer zu einer sehr aktiven öffentlichen Schule geworden. Unsere Lehrer sind besser als die in vielen Privatschulen“, sagt der Clubsekretär Cahit Erkurt.
Die Schulleiterin der Aksemsettin Grundschule berichtet, dass sie einen großen Unterschied bei den Schülern bemerkt hat.
„Die Kinder lachen, sie sind glücklich, gar nicht so als wären sie in der Schule“, sagt sie. „Ich sehe Kinder, die gut miteinander kommunizieren und viel Vorstellungskraft haben. Genauso soll es sein. Ich kann nicht mehr von ihnen erwarten. Es ist erstaunlich, was in neun Monaten alles geschehen kann!“
„Es sollte 12 Studios anstelle von 12 Klassenzimmern geben!“